Die japanischen Kampfkünste lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Koryu und Gendai Budo. Koryu, was übersetzt "alte Schule" bedeutet, bezieht sich auf Kampfkünste, die in Japan vor der Meiji-Restauration von 1868 entwickelt wurden. Gendai Budo hingegen bezieht sich auf die modernen Kampfkünste, die in Japan seit der Meiji-Ära entwickelt wurden. Obwohl Koryu und Gendai Budo einige Gemeinsamkeiten aufweisen, gibt es auch bedeutende Unterschiede zwischen diesen beiden Kategorien von Kampfkünsten.
Die Koryu-Schulen wurden in Japan zu einer Zeit entwickelt, als die Samurai-Klasse die politische und soziale Macht innehatte. Daher wurden viele Koryu-Schulen von Samurai gegründet und waren für den Einsatz in Kampfsituationen gegen andere Samurai gedacht. Der Schwerpunkt dieser Schulen lag auf der Verwendung traditioneller japanischer Waffen, wie Katana, Pfeilbogen, Naginata und Speer. Selbst bei unbewaffneten Techniken lag der Schwerpunkt oft auf der Entwaffnung oder Unschädlichmachung eines Gegners, der möglicherweise mit einer Waffe bewaffnet war.
Eines der charakteristischen Merkmale des Koryu ist die Betonung der praktischen Anwendbarkeit und Effektivität in Kampfsituationen. Die Techniken werden oft über viele Jahre hinweg durch praktische Erfahrungen entwickelt und verfeinert und sind so konzipiert, dass sie zur Selbstverteidigung oder in Kampfsituationen eingesetzt werden können. Viele Koryu-Schulen legen auch grossen Wert auf die Entwicklung mentaler Disziplin und Konzentration, die für den Erfolg in Kampfsituationen als unerlässlich angesehen werden.
Im Gegensatz dazu wurden die Gendai-Budo-Systeme in einer Zeit des Friedens und des sozialen Wandels in Japan entwickelt. Diese Systeme stützen sich häufig auf die traditionellen japanischen Kampfkünste, wurden jedoch angepasst und verändert, um für die moderne Gesellschaft besser geeignet zu sein. Gendai-Budo-Systeme können immer noch den Gebrauch traditioneller Waffen beinhalten, aber sie legen auch einen grösseren Schwerpunkt auf waffenlose Techniken, sportliche Wettkämpfe und Selbstverteidigung in realen Situationen.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Koryu- und Gendai-Budo ist die Art und Weise, wie sie gelehrt und praktiziert werden. Koryu-Schulen folgen oft einem traditionellen Lehrmodell mit einer hierarchischen Struktur und einer starken Betonung der Bewahrung der Tradition. Die Techniken und Lehren werden von Generation zu Generation durch mündliche Überlieferung und körperliches Üben weitergegeben.
Gendai-Budo-Systeme hingegen haben oft einen moderneren Ansatz für den Unterricht, mit einer grösseren Betonung auf Standardisierung, wissenschaftlicher Analyse und Wettbewerb. Viele Gendai-Budo-Systeme haben standardisierte Lehrpläne und Lehrmethoden, und sie verwenden häufig moderne Lehrmethoden.
Hinsichtlich der spezifischen Trainingsmethoden, die in Koryu- und Gendai-Budo-Systemen verwendet werden, gibt es ebenfalls einige Unterschiede. Koryu-Schulen legen oft grossen Wert auf die Entwicklung von Strategie und Taktik in Kampfsituationen. Dazu gehört das Verständnis der Stärken und Schwächen verschiedener Waffen und Techniken sowie das Erlernen der Anpassung an unterschiedliche Situationen und Gegner.
Im Gegensatz dazu konzentrieren sich Gendai-Budo-Systeme oft auf die Entwicklung von körperlicher Fitness, Flexibilität und allgemeiner Gesundheit und Wohlbefinden. Sie können Techniken und Trainingsmethoden aus einer Vielzahl von Kampfkünsten und anderen Disziplinen beinhalten, wobei der Schwerpunkt auf der Entwicklung eines abgerundeten Kompetenzspektrums liegt. Viele Gendai-Budo-Systeme legen auch grossen Wert auf sportliche Wettkämpfe, bei denen die Teilnehmer an Turnieren und Meisterschaften teilnehmen, um ihre Fähigkeiten mit anderen zu messen.
Es ist erwähnenswert, dass Koryu-Schulen zwar von Samurai für den Einsatz in Kampfsituationen entwickelt wurden, aber nicht unbedingt auf diesen Kontext beschränkt sind. Viele Koryu-Praktizierende studieren diese Systeme heute wegen ihres historischen und kulturellen Wertes sowie wegen ihrer Wirksamkeit in Selbstverteidigungssituationen. Auch wenn Waffen in vielen Koryu-Systemen eine wichtige Rolle spielen, sind die waffenlosen Techniken dennoch ein wesentlicher Bestandteil der meisten Koryu Systemen. Der Grund dafür ist, dass man in der Realität des Kampfes nicht immer Zugang zu einer Waffe hat oder seine Waffe während eines Kampfes verlieren kann. Indem sie sowohl bewaffnete als auch unbewaffnete Techniken trainieren, entwickeln Koryu-Schüler ein umfassenderes Verständnis von Selbstverteidigung.